Zwischen ihnen liegen 75 Jahre

75Jahre_KABOEDer Altersunterschied zwischen Brunhilde Gobernatz und Tessa Wölflingseder ist enorm. Die Schülerin nimmt am Projekt „J. A! Jung trifft Alt“ teil und erfährt jeden Montag viel von der Seniorin.

Itzling, Anthering. In ihrer Ein-Zimmer-Wohnung sitzt Brunhilde Gobernatz mit ihrer Lesebrille und blättert in der Zeitung. Gerne lässt sie sich von Tessa Wölflingseder unterbrechen, die nun bis Juli jeden Montag Nachmittag zu ihr auf Besuch kommt – zum Ratschen und um viel aus früheren Zeiten zu erfahren. „Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt?“, fragt die 15-jährige Schülerin der 2hl-Klasse der Caritasschule. „Bei einer Silvesterfeier, ich war 21, Georg 24. Es war Liebe auf den ersten Blick, für beide“, bekräftigt die betagte Dame. 67 Jahre waren die beiden verheiratet. Mehr als diese Zeitspanne liegen zwischen ihr und Tessa, fast genau 75 Jahre. „Wie das Leben früher war, das kann man sich heutzutage gar nicht vorstellen. Das sind zwei Welten“, sagt die interessierte Schülerin. „Früher war’s besser. Jeder hat gegrüßt, alle waren herzlicher“, sagt die rüstige 91-Jährige. Jetzt kramt sie in der Lade ihres Nachttisches und holt Bilder in Schwarzweiß hervor. „Das war ich mit 16“, sagt die gelernte Schneiderin und zeigt auf eines von vielen schönen Fotos. Lange bleibt sie nicht in ihrem gemütlichen Sessel sitzen, schon geht sie zum Kleiderschrank, um dem Gast ihr letztes selbst genähtes Kleid zu zeigen. „Fünf Mal habe ich es angezogen.“ Über das Nähen, Wandern, Kurrentschrift, Krieg, Urlaube und „ihre schönste Zeit, die Pension“, plaudert die 91-Jährige gerne mit ihrer jungen Besucherin.

Sie ist eine von 49 Schülerinnen und Schülern von der Caritas-Schule, BG Zaunergasse, BG und BORG St. Johann, die sich beim Projekt „J.A! Jung trifft Alt“ beteiligt. Alle widmen sich in diesem Schuljahr einer besonderen Freizeitbeschäftigung: Sie besuchen nach der Schule ein Mal pro Woche ältere Menschen in Seniorenheimen. Das Interesse ist enorm. Miteinander reden, musizieren, spazieren gehen, aus der Tageszeitung vorlesen oder Schach spielen: Die Möglichkeiten des Austausches sind vielfältig. „Während die jungen Paten den älteren Menschen auf diese Weise Lebensfreude schenken und ihnen neue Kontakte zur Außenwelt eröffnen, wirken sich die regelmäßigen Besuche positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen aus“, sagt Projektleiterin Anita Moser vom Bildungswerk Salzburg. „Gleichzeitig spüren die jungen Menschen ein Gefühl von Verantwortung für ,ihre’ Senioren.“

Gerne würde Tessa aus Anthering mit Brunhilde Gobernatz spazieren gehen oder auch mal Karten spielen. „Am liebsten erzählt sie aber aus ihrem Leben.“ Und so würde sie in einer Stunde pro Woche sehr viel Unwiederbringliches erfahren. Wie auch jene Tatsache, dass vor zweieinhalb Jahren ihr Mann verstorben ist. Seitdem sei nichts mehr so wie früher. „Ich habe meinen Mann im Herzen.“ Für ihn habe sie im Seniorenheim, in dem sie seit siebeneinhalb Jahren wohnt, gekocht. Einmal brutzelten ihre Bratwürste so arg, und „auf einmal war die Feuerwehr da“. Nun lachen beide herzhaft – Jung und Alt. Der Besuch von Tessa sei immer eine willkommene Abwechslung. „Sonst ist es ist immer das Gleiche.“ Die Stunde vergeht schnell, nun ist es Zeit fürs Abendessen. Und Tessa hat noch eine Viertelstunde Zeit, um ihren Bus nachhause zu erreichen.

In 17 Senioreneinrichtungen in der Stadt, im Pongau, in Hallein, Wals und Mattsee freuen sich viele Menschen auf die gemeinsame Zeit mit den Schülern. 2010 wurde „J.A!“ von der Gemeindeentwicklung Salzburg initiiert, in Kooperation mit den SALK und young Caritas Salzburg.

Text und Bild mit freundlicher Genehmigung entnommen aus :
„Salzburger Woche – Stadt Nachrichten“ vom 17. November 2015